Geschichte

DIE GESCHICHTE VON HATTERODE

Ausgearbeitet von Gerd Becker, überarbeitet und ergänzt von Burkhard Schäfer

Im fruchtbaren Tal der Jossa (uralt: Jazaha = rauschendes Wasser) zwischen Grebenau und Breitenbach am Herzberg
liegt das langgestreckte Dorf Hatterode. Wann der Ort gegründet wurde, ist nicht genau festzustellen.
Auf Grund der Endung ,,rode“ ist die Gründung jedoch in der Zeit zwischen 900 – 1200 nach Christi anzusetzen.
Der Name Hatterode bedeutet wohl ,,Rodung des Hatto“, dieser wäre somit als Ortsgründer anzusehen. Um 1450 auch: Hartenroda.
Hatterode lag im fränkischen Hessengau und bildete den Grenzpunkt zu Buchonien hin – es wird 1315 zum erstenmal
urkundlich erwähnt!

Am Dorf vorbei führte zu dieser Zeit auf einem Höhenzug die ,,alte Heerstraße“ zwischen Thüringen und Hessen.
Es wird angenommen, daß Kaiser Heinrich IV. in den Jahren 1071 und 1073 von Hersfeld kommend über Grebenau auf dieser
Heerstraße nach Mainz gezogen ist.

Im frühen Mittelalter lagen in der Nähe von Hatterode noch vier weitere Siedlungen, die schon
lange nicht mehr existieren: Das Dorf ,,Hohleiche“ wurde 1379 zum erstenmal erwähnt. In der Zeit von 1806 – 1813 hielten sich dort
viele von den Franzosen verfolgte Hessen auf. 1831 wurde es endgültig ,,zu Wald gemacht“, als der letzte Einwohner der Ansiedlung,
die damals ohnehin nur noch aus einem Hof bestand, gestorben war. Warum Hohleiche entvölkert wurde, ist bis heute noch nicht
geklärt – die Geschichtsforschung vermutet, daß hier ein Fall von ,,Bauemlegen“ durch Grundherren im 16. und 17. Jahrhundert
vorgelegen hat.

Ungefähr zwanzig Minuten von Hatterode in Richtung Herzberg lag früher noch ein Dorf, das eingegangen ist.
Diese Siedlung ,,Christ(el)hausen“ wurde 1263 Christelshasen geschrieben – sie wurde 1478 zum letztenmal erwähnt.

Südöstlich von Hatterode lag der Ort ,,Dieffenbach“ – er wurde bereits 1427 zur Wüstung. Noch heute gibt es deshalb den gebräuchlichen
Flurnamen ,,In der Tiefenbach“.

Von Hatterode aus lag auf halbem Wege nach Schlitz noch das Dorf ,,Berngerode“, von dem noch bis in die heutige Zeit hinein vereinzelt
Grundmauerreste zu entdecken sind. Inzwischen wurde dort wieder eine Hütte errichtet und ist bei uns Einheimischen ein beliebtes Ziel
für Spaziergänge.

Hatterode war bis ins 16. Jahrhundert mehr nach Grebenau hin ausgerichtet als nach Breitenbach. Grebenau besaß eine Burg
der Grafen von Ziegenhain und war Mittelpunkt christlichen Lebens vor der Reformation im südlichen Knüllgebiet. Die Kirche zu Grebenau
ist die Mutterkirche der Hatteröder. Bevor Breitenbach 1502 eine Pfarrei mit einem eigenen Pfarrer wurde, der 1523 zum evangelischen
Glauben überwechselte, war Hatterode bei Grebenau eingepfarrt. Predigten wurden in Grebenau gehört, die Toten aus Hatterode wurden
auf dem Grebenauer Totenhof bestattet und die Sakramente in Grebenau ausgeteilt.
Anfang des 16. Jahrhunderts dürfte die heutige Hatteröder Kirche errichtet worden sein – sie ist somit die älteste der Gemeinden
des Jossatales und diente zunächst nur als Totenkirche. Mit den Junkern von Dörnberg, die ab 1477 das gesamte Gericht Breitenbach
besaßen, kam Hatterode um 1530 zum Kirchspiel Breitenbach. 1580 schrieb der damalige Pfarrer zu Grebenau, daß Hatterode noch vor
einer Generation zu Grebenau gehört hatte. 1556 bemühte sich ein Pfarrer aus Grebenau darum, Hatterode zurückzubekommen
– es war vergebens, er erhielt weder in Kassel noch in Marburg den nötigen Beistand. Mit der späteren Einrichtung des Gottesdienstes
wurde Hatterode den anderen Kirchspielgemeinden vorgezogen – dem Ort, als zweitgrößtem des Kirchspiels, war es allein möglich für die
Kosten eines eigenen Gottesdienstes aufzukommen.

Politisch gehörte Hatterode schon seit 1434 zum Gericht Breitenbach. Die Gerichtsstätte für Hatterode befand sich zwischen Oberjossa
und Breitenbach – dieses Flurstück heißt heute noch der ,,Galgengraben“. 1685 wurde dort ein männlicher Hatteröder Einwohner mit
seiner Stieftochter, mit der er zwei Kinder in Blutschande und Ehebruch gezeugt hatte, wovon er eins getötet und den Hunden zum Fraß
vorgeworfen hatte, dergestalt gerichtet, daß erst die Weibsperson geköpft wurde, ,,hernach auch er, zweymal im Kreiß mit glühenden
Zangen gepfätzt und auch enthäuptet, und sein Kopf auf einen Pfahl gesteckt worden ,,. Beide sind dann unter dem Galgen begraben
worden, wie das Breitenbacher Kirchenbuch berichtet.

Hatterode hatte gegen Ende des 16 Jahrhunderts 38 Familien. Im 17. Jahrhundert wurden in Hatterode viele Flüchtlinge aus der
Pfalz (Hugenotten) aufgenommen, die König Ludwig XIV. von Frankreich vertrieben hatte. Die Bevölkerung im Kirchspiel Breitenbach,
die dadurch wieder anstieg, muß zu dieser Zeit (als Folge der verheerenden Leiden des 30-jährigen Krieges) sehr gering gewesen sein
– wurden doch 1672 nur elf Kinder getauft.

Die Burg Herzberg, in deren Schatten ja Hatterode sozusagen liegt und mit deren Schicksal Hatterode eng verknüpft war, wurde in
diesem 30-jährigen Krieg wiederholt von berühmten Heerführern mit ihren Truppen (u.a. von Fugger, von TiIly und Altinger) belagert,
jedoch nie vollständig eingenommen. Auch während dieser langen Belagerungen soll die Burg durch einen, bis heute allerdings unentdeckten
unterirdischen Gang von Hatterode aus versorgt worden sein. Als zweites Dorf im Kirchspiel hatte sich Hatterode 1704 eine eigene Schulstelle
mit Schulmeister zugelegt. Der Hatteröder Schulmeister mußte den Breitenbacher Pfarrer bei den Betstunden unterstützen. Allerdings durften
dadurch nicht die Einkünfte des Breitenbacher Lehrers, welcher den Dienst vorher versehen hatte, geschmälert werden. Im folgenden Jahr
wurde neben der Kirche ein Schulhaus errichtet. 20 Jahre wirkte Johann Georg Schumann, der erste Schulmeister, in Hatterode – er wurde
wie auch seine Nachfolger Schmidt und Weydemeier mit Geldern aus dem Kirchenkasten, mit Früchten und Holz besoldet.
Auch die 33 Schulkinder von 1750 in Hatterode mußten für ihre Unterweisung Geld an den Schulmeister zahlen. Ab 1752 erhielt der
Hatteröder Schulmeister auch das Geld, das ihm durch Kirchendienste zustand, und nicht mehr wie vorher dem Breitenbacher Lehrer gezahlt wurde.
1833 wurde der Schulverband zwischen Hatterode und Breitenbach getrennt. Im 19. Jahrhundert wechselten die Lehrer häufig.
1860 erhielt Hatterode das Schulhaus, das noch lange als Lehrerwohnhaus genutzt wurde und auch heute noch bewohnt steht.
1895 entstand der neue Schulsaal neben dem Schulhaus. In 1906 erreichte die Zahl der Schulkinder in Hatterode mit 95 Jungen und
Mädchen ihren Höchststand. (Mit dem Wechsel in die 70er Jahre wurde die Schulstelle in Hatterode ganz aufgelöst.)

In den folgenden Jahren wurde Hatterode aus seiner Verträumtheit erweckt: zunächst wurde 1912 die Flur verkoppelt, dann wurde
1915 der Haltepunkt der Eisenbahnstrecke Alsfeld – Niederaula in Betrieb genommen. Die beiden dann ausbrechenden Weltkriege
hinterließen tiefe Spuren auch in Hatterode. Aus dem Krieg 1914/18 kehrten 13 junge Männer nicht mehr in ihre Heimat zurück und
1939/45 mußten 21 Hatteröder Soldaten ihr Leben lassen – in diesem 2. Weltkrieg fielen aus sechs Hatteröder Familien gar je zwei Söhne.

Während und nach dem letzten Kriege kamen sehr viele Flüchtlinge ins Geborgenheit spendende Jossatal. Die Einwohnerzahl von Hatterode
erhöhte sich 1946 auf über 500, der derzeitige Bevölkerungsstand beträgt 343 Einwohner. Auch nach Ende des Krieges wurde das Ortsbild
und das sich wieder erholende Dorfleben weiterhin im wesentlichen durch die intensive Ausübung der Landwirtschaft geprägt. Dies erforderte
schon immer das Vorhandensein von viel Gemeinschaftssinn und selbstverständlicher gegenseitiger Hilfeleistung. Ausdruck davon war auch
die Gründung einer der ersten Dreschgemeinschaften weit und breit. Bereits 1874 kaufte die Gemeinde für 3.600 Taler eine Dreschmaschine,
die bis hinauf in den hohen Vogelsberg und bis vor die Tore von Bad Hersfeld eingesetzt wurde. Diese Genossenschaft, die mehr als hundert
Jahre Bestand hatte, wurde erst in den späten sechziger Jahren ein Opfer der nicht mehr aufzuhaltenden Modernisierung. Eine bedeutende
Rolle spielte immer auch die besonders aktive Raiffeisenkasse Hatterode. Noch mit Eintritt in die siebziger Jahre gab es im Dorf mindestens
15 selbständige Bauern und etwa 30 Arbeiter-Bauern, die neben ihrer beruflichen Tätigkeit eine kleinere Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben.

In einer derart vom Landanbau und der Viehzucht bestimmten Gemeinde fehlte es naturgemäß an gewerblichen Betrieben, sodaß das Aufkommen
an Steuermitteln sehr dürftig ausfiel und die Finanzkraft der Kommune beschränkt blieb. Trotzdem haben die einheimischen Bürger in der Zeit
nach dem 2. Weltkrieg beachtliche kommunale Aufgaben bewältigt. In 1964/65 wurde die gesamte Trinkwasser-Versorgungsanlage
Hatterode/ Wallersdorf über die Kreisgrenze hinweg verlegt. In 1965/66 wurde der 1. Abschnitt der Kanalisation erbaut und im Herbst 1966
der lang ersehnte Ausbau der bis dahin arg löchrigen Ortsdurchfahrt vorgenommen. Die Fertigstellung des Abwassernetzes erfolgte in 1969/70.
Im Herbst 1971 wurden Verträge zum freiwilligen Zusammenschluß der umliegenden Gemeinden ausgearbeitet – am 1. Januar 1 972 gründeten
die bis dahin selbständigen Gemeinden Breitenbach, Hatterode und Oberjossa die neue Großgemeinde Breitenbach am Herzberg
(Gehau und Machtlos stießen wenig später hinzu). Ebenfalls im Rahmen dieser umfangreichen Gebietsreform erfolgte ein Wechsel dieser
Gemeinden in die Zuständigkeit des Landrats des neugebildeten Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Bis dahin war die ,,politische Lage“ von Hatterode
(dem Kreis Ziegenhain zugehörig) wirklich bemerkenswert, denn es gab nicht allzuviele Orte, die den Schnittpunkt für vier eigenständige Kreise
darstellten, in diesem Fall nämlich für Ziegenhain, Alsfeld, Lauterbach und Hersfeld -also in einem ,,Vierkreiseeck“ lagen. Eine solche Grenzposition
hat der Ort aber auch heute noch inne, er ist nach Südwesten hin der äußerste Zipfel der Großgemeinde Breitenbach/H., des Landkreises HEF-ROF
und des Regierungsbezirkes Kassel und ist Teil der Trennungslinie zwischen Nord- und Osthessen.

Mit zunehmender Freizeit des einzelnen Menschen wurde auch in Hatterode zwecks einer gemeinschaftlich zu gestaltenden und sinnvollen Ausfüllung
dieser gewonnenen Zeit das allseits beliebte ,,Vereinsleben“ gepflegt. Aktuelle Zeugen dieser Entwicklung sind die noch bestehenden Tischtennis-,
Wander-, Damengymnastik und Landfrauen-Vereine. Der einst für jeden Ort traditionelle Schützenverein existiert hier seit langem nicht mehr,
die Freiwillige Feuerwehr dagegen erneuert sich regelmäßig und ist immer fester Bestandteil des Dorflebens gewesen. Fußball wurde früher in Grebenau,
heute vornehmlich in Breitenbach/H. gespielt – 1974 traten mehrere Hatteröder aktiv dem Männergesangverein 1888 Breitenbach/H. bei.
Nachdem ein neues Feuerwehrgerätehaus (1952), eine Gemeinschaftsgefrieranlage (1962) und eine Friedhofshalle/Kriegerdenkmal (1981)
den Ort seit einiger Zeit bereichern, wurde 1986 überwiegend in Eigenleistung die ehemalige ,,Alte Schule“ in ein schmuckes Bürgerhaus umgestaltet.
Anfang der 70er Jahre wurde das Neubaugebiet ,,Im Hitzbach“ erschlossen, dabei wurde der notwendige Straßenbau durch die Anwohner in
Eigenleistung durchgeführt – sicher eine absolut einmalige Begebenheit, die ihresgleichen sucht und als Beispiel dafür gelten darf, daß in Hatterode
,,Selbsthilfe und Eigenleistung“ bis heute keine Fremdworte darstellen.

Im Frühjahr 1981 (3. auf 4. Juni) wurde auch Hatterode von einem überraschenden Hochwasser heimgesucht, das beide Jossa-Steinbrücken zerstörte.
Während die obere Brücke sofort erneuert wurde, blieb der Dorfteil ,,Neu-Jerusalem“ mit dem Hauptdorf nur durch eine Holz-Notbrücke verbunden.
Erst nach endlosen 13 Jahren Vorlaufzeit wurde die neue und gelungene Jossabrücke ihrer Bestimmung übergeben.

Die Hatteröder Jugend legte im Sommer des Jahres 1981 den beim Kanalbau zugeschütteten ,,Alten Dorfbrunnen“ in der Ortsmitte wieder frei und
ließ ihn in einer der Gegenwart angepaßten Form neu entstehen. Seitdem hat das jährlich stattfindende ,,Brunnenfest mit Volkswandern“ die einst
übliche Dorf-Kirmes endgültig vergessen lassen. Jüngst erst, in einem ,,heißen Herbst/Winter 1986″, gelang es den Einwohnern von Hatterode
durch große Einsatzbereitschaft zusammen mit einem eigens dafür ins Leben gerufenen ,,Bürgervereins“, drohende Gefahren für Mensch, Tier,
Natur und Landwirtschaft durch Verhinderung des geplanten Betriebes einer ,,Giftmüll-Verbrennungsanlage“ auf der Gemarkungsgrenze abzuwehren.
Eine gepflanzte Eiche auf dem Kirchenvorplatz erinnert jetzt an zum Teil spektakuläre Protestaktionen des Bürgervereins. Bis heute haben sich
die Hatteröder Bürger in sprachlicher Hinsicht ihre Eigenständigkeit bewahrt, der noch sehr häufig gesprochene plattdeutsche Dialekt unterscheidet
sich erkennbar von dem der umliegenden Ortschaften. Wenn auch die erwähnte Eisenbahnlinie schon längst wieder stillgelegt ist, so liegt doch das
rührige Dörfchen ,,HATTERODE“ trotz seiner bewegten Geschichte noch immer im malerisch idyllischen Jossatal, am Fuße von Herzberg mit seiner Burg
und Rimberg ,weitere in der Nähe gelegene hohe Bergkuppen laden freundlich zu einem herrlichen Ausblick in die nordhessische Landschaft ein.
Jedoch selbst mit größter Anstrengung bleibt auch von dort hoch oben ein ,,Blick zurück in die Vergangenheit“ verwehrt,was bleibt ist der beruhigende
Anblick eines noch naturbelassenen, grünen Tales mit all seiner Natürlichkeit, Fruchtbarkeit und Schönheit. Der Ort unterliegt seit geraumer Zeit
einem gravierenden Strukturwandel vom einst bäuerlich geprägten Grenz-Dorf mit etwa 300 Bewohnern – hin zu einem mehr Wohnort mit mittlerweile weniger als
300 Einwohnern, darunter eine ganze Reihe von Neubürgern durch Zuzug . Einst 60 landwirtschaftlichen Höfen mit Viehhaltung (viele auch im Nebenerwerb)
stehen dem heute nur noch lediglich deren 7 gegenüber.